Schönheit der Zerstörung – Geamana
Die Menschen wurden schon immer von Katastrophen, ob natürlich oder unnatürlich, angezogen. Das ist nicht immer gut und doch gibt man häufig dieser Faszination nach. Dem Ruf dieser Faszination haben auch wir bei unserer letzten Reise in Rumänien nachgegeben und ich muss sagen, dass wir es nicht bereut haben.
Es geht um das kleine Dorf Geamana im Kreis Alba Rumänien, bzw. um das, was davon noch übrig geblieben ist. Die Geschichte dahinter ist schnell erzählt. Das Dorf Geamana liegt im Tal Sosii (Valea Sosii) in unmittelbarer Nähe der Kupfermine Rosia Poieni. 1977 wurde das Tal geflutet und in einem Absetzbecken für die chemischen Abfälle der Mine umgewandelt. Die damals dort lebenden ca. 400 Familien mussten umgesiedelt werden. Das Dorf wurde aufgegeben. Seitdem steigt der Wasserpegel stetig und verschluckt das Dorf. Heute ist nur nur noch die Spitze der kleinen Dorfkirche zu sehen.
Dieses irreale Panorama mussten wir einfach sehen. Also sind wir mit dem Auto Richtung Geamana aufgebrochen. Wir sind von Bukarest kommend, quer durchs Land gefahren in Richtung Turda. Plötzlich zeigte das Navi nach rechts und wir sollten in den Wald abbiegen. Etwas ungläubig und mit einem mulmigen Gefühl sind wir den Anweisung des Navi gefolgt, der Ruf der Faszination war einfach zu groß.

Die Strasse, wenn man sie überhaupt so nennen kann, wurde immer schlechter. Sie war mit Steinbrocken überdeckt und je weiter wir nach oben fuhren, um so schlammiger und rutschiger wurde sie. Glücklicherweise kam uns plötzlich ein Wagen aus dem Wald entgegen, so dass wir uns bestätigen lassen konnten, dass wir tatsächlich auf den richtigen Weg waren. Der Fahrer gab uns noch einige Richtungsanweisung und wir fuhren weiter. Insgesamt ca. 9 km lang nur Wald, Steine und Schlamm.
Nach einigen Kilometern sahen wir über uns eine Brücke. Dort bogen wir rechts ab und auf der linken Seite eröffnete sich das Tal und wir erblickten den See bzw. den Schlamm, denn Wasser war gerade nicht zu sehen.
Wir fuhren noch ein paar Kilometer weiter bis wir plötzlich einen steilen Weg nach unten bemerkten. Da wir nicht wussten, was dort unten ist und ob wir bei diesen Verhältnissen mit dem Wagen wieder nach oben kommen würden, stellten wir ihn ab und gingen zu Fuß weiter. Nach nur wenigen Meter sahen wir den See.
Auf dem Weg zum Ufer gingen wir an einem Mann vorbei, der seine grasende Kuh bewachte und uns freundlich grüßte. Am Ufer angekommen erblickten wir weiter weg eine Gruppe Jugendliche, die sich diese ausgefallene und seltene Attraktion wohl ebenfalls ansehen wollten.
Und dann sahen wir diesen wahnsinnigen Anblick auch aus der Nähe. Eine riesige Fläche abgedeckt von bunt schimmerndem Schlamm und Mitten drin, die mit einem Kreuz gekrönte Spitze des Aluminiumdaches einer Kirche. Das Ganze umgeben von grünen und offensichtlich von Kraft strotzender Vegetation. Einfach unglaublich.
Die Landschaft zog uns in ihrer Bann und wir waren begeistert. Dennoch wurde uns klar, dass wir dort den Tod betrachteten. Denn dieser Schlamm bestand aus chemischen Reststoffen des Kupferabbaus. Er war hoch giftig und löschte sämtliches Leben aus. Obwohl die Landschaft so malerisch und friedlich aussah, war sie todbringend. Als wir uns das vergegenwärtigten wurde der verzaubernde Anblick zugleich abstossend.
Ist der Preis den wir für den Kupferabbau zahlen, nicht zu groß? Ist es wirklich wert, die Natur so zu vergiften und alles Leben in diesem Tal auszulöschen? Die Antwort kann nur „Nein“ lauten. Und doch lohnt sich eine Reise zu diesem Ort, auch wenn nur, um sich vor Augen zu führen, welchen Fußabdruck der Mensch in der Natur hinterlässt. Und wie gesagt: die Faszination der Zerstörung ist groß. Mit dieser Reise konnten wir sie zum Teil befriedigen.
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